Leseprobe

"Kein Entkommen"



 »Willkommen bei den Live-Escape-Games«, begrüßte sie der Mann mit Halbglatze, hoher Stirn und leichtem Bartansatz an der Oberlippe. Trisha schätzte den Spielleiter, der sich als Joachim Dorn vorgestellt hatte, auf Anfang dreißig. Bis auf zwei Plakate mit der Aufschrift Escape-Rooms deutete nichts in dem winzigen Empfangszimmer auf solche Räumlichkeiten hin. Er hatte sie die Treppen hinab in einen Irrgarten durch Kellergewölbe geführt, bis sie schließlich in diesem Verlies angelangt waren. Trisha sah sich neugierig um. Der Raum war düster. Nur eine winzige Lampe an der Decke tauchte den Ort in ein rotes, unheimlich wirkendes Dämmerlicht. Ihr Kumpel Max stand vor der großen Stahltür, die äußerst massiv wirkte. An der Wand daneben befand sich ein Metallregal, vollgestopft mit Farbbehältern, aus denen eine undefinierbare Flüssigkeit tropfte. Eine große, morsche Holzkiste, die mit einem dicken Vorhängeschloss verriegelt war, nahm die gesamte Längsseite der Wand ein. Ein schaler Geruch lag in der Luft. Sie spürte eine wachsende Aufregung, obwohl es nicht das erste Mal war, dass sie und ihre Freunde an einem Escape-Game teilnahmen. Der einzige Unterschied war, dass sie normalerweise Geld bezahlen mussten, während sie hier die Chance hatten, welches zu gewinnen. 
»Sie sind Opfer einer Entführung und haben sechzig Minuten Zeit zu fliehen«, fuhr Dorn fort. »Für jeden Raum steht Ihnen unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung und Hindernisse erschweren den Ausweg. Aus diesem Raum müssen Sie entkommen sein, bis der grüne Balken die Null erreicht hat.« Er deutete auf ein Display, das neben einer weiteren Tür aus Holz an der Wand befestigt war. Auf der Anzeige wurde ein grüner Balken dargestellt sowie eine Prozentangabe. »Ansonsten sind Sie ... « 
»Hinüber«, unterbrach ihn Tobias und Max lachte. 
»Sozusagen.« Dorn schmunzelte. 
Trisha betrachtete die Anzeige. Darunter war ein Tastenfeld mit Zahlen angebracht, in dem sie wohl eine Kombination eingeben mussten. Ihr Blick wanderte wieder zu der Anzeige. Über dem Balken war die verbleibende Atemluft markiert, die momentan noch bei einhundert Prozent stand. Obwohl es nur Fiktion war, breitete sich ein dumpfes Gefühl in ihrem Magen aus. 
»Das ist so cool.« Ihre beste Freundin Aurelie beugte sich zu ihr. Dann inspizierte sie die Pritsche, auf der ein löchriges Leinentuch befestigt war. Sie beide kannten sich seit der Oberstufe, nachdem Aurelie an ihre Schule gewechselt hatte. Als ihre Freundin bei einer Prüfung völlig aufgeschmissen war, ließ Trisha, die nie Schwierigkeiten hatte, gute Noten zu erzielen, sie abschreiben, was den Beginn einer engen Freundschaft markierte. Im Laufe der Jahre zeigte sich, dass sie eine Menge Gemeinsamkeiten besaßen, ihren Männergeschmack mit eingeschlossen. Allerdings interessierten sich die meisten Männer eher für sie als für ihre Freundin. Trisha hatte keine Ahnung, warum, zumal Aurelie mit den schulterlangen, aschblonden Haaren, dem dunklen Teint und der schlanken Figur durchaus hübsch war. Glücklicherweise schien Aurelie ihr es nicht übel zu nehmen, wenn sie den Kürzeren zog. 
Trisha ließ den Raum auf sich wirken. Als sie das marode Eingangszimmer betreten hatte, befürchtete sie bereits, eine herbe Enttäuschung zu erleben. Aber der Raum selbst wirkte so authentisch, dass es ihr schon eine Gänsehaut bescherte, überhaupt darin zu stehen. 
»Wie bereits eingangs erwähnt, können Sie nur als Team gewinnen. Steigt jemand vorzeitig aus, verlieren Sie alle und das Preisgeld ist futsch.« 
»Das wird bestimmt ein Abenteuer«, flüsterte Max verführerisch und drückte sich an sie. »Ganz bestimmt«, erwiderte Trisha mit einem Lächeln und schob Max weg. 
»Wann geht’s los?«, fragte Tobias, der es offensichtlich kaum abwarten konnte. 
»Sobald Sie startklar sind. Sollte es irgendwelche Fragen oder Probleme geben ...« Er deutete auf die Kamera, die unterhalb der Decke angebracht war. »Ich bin da.« 
Trisha betrachtete Tobias, der mit seinen einundzwanzig der Älteste in ihrer Gruppe war. Neben ihm stand seine Begleitung, die, im Vergleich zu dem hoch gewachsenen Tobias, wie ein Minion wirkte. Sie besaß kupferrote Haare, die sie seitlich zu einem Zopf zusammen gebunden hatte, sowie ein hübsches, sympathisches Gesicht. Trisha hatte noch nicht herausgefunden, in welchem Verhältnis sie und Tobias zueinander standen. Ein Pärchen schienen sie nicht zu sein. Sie passte mit ihrer etwas molligen Figur auch nicht wirklich in Tobias Beuteschema, der sich ausschließlich für schlanke Frauen im Modelformat interessierte. Trisha hatte seine oberflächliche Art und die dummen Sprüche noch nie gemocht, konnte aber nicht verhindern, dass er mitkam. Sie fand ihn wenig anziehend mit seiner spindeldürren Figur und den schwarz gefärbten Haaren, die für Trisha immer ein Ticken zu dunkel waren. 
»Also dann, viel Erfolg!« Dorn verabschiedete sich und verließ den Raum durch die Stahltür, durch die er sie hineingeführt hatte. 
Trisha meinte auf seinem Gesicht ein fieses Grinsen erkannt zu haben. Vermutlich genoss er es, zu beobachten, wie sie sich die Zähne ausbissen. Sie nahm an, dass es dutzende von Teilnehmern gab, die alle hofften, den Gewinn zu ergattern, auch wenn sie bisher niemanden gesehen hatte. »Sagst du mir nochmal deinen Namen?«, richtete sich Trisha an die junge Frau neben Tobias. 
»Clarissa.« 
»Sorry, schlechtes Namensgedächtnis.« 
»Kein Ding.« Clarissa lächelte schüchtern. 
Trisha meinte sie schon mal irgendwo gesehen zu haben, konnte sich aber nicht erinnern, wo. Im Gegensatz zu den anderen, die sie, mit Ausnahme von Aurelie, seit der fünften Klasse kannte, war Clarissa neu. Tobias schien tatsächlich ein Auge auf sie geworfen zu haben. 
»Kommt, Schwätzchen könnt ihr später halten.« Max klatschte in die Hände. »Ihr fangt beim Regal an, ich versuch mal, die Holzkiste zu öffnen!« 
»Seit wann bist du hier der Boss?«, kam prompt von Tobias. »Seitdem ihr nur hier rumsteht und tratscht.« Trisha ignorierte die freundschaftliche Kabbelei und wandte sich den Farbdosen zu, während Clarissa die Schubladen daneben durchwühlte. 
»Ist das Blut?« Aurelie betrachtete angewidert einen dunklen Fleck, der auf der Steinwand zu erkennen war. 
»Klar, bestimmt haben die extra für das Spiel ein Lamm geschlachtet.« Tobias lachte höhnisch. 
»Haha, sehr witzig.« Aurelie warf ihm einen finsteren Blick zu. Trisha berührte eine der Farbdosen, die bestialisch stanken und deren Behälter klebrig war. 
»Wonach suchen wir denn?«, fragte Aurelie, die bisher nicht viel zur Unterstützung beigetragen hatte. 
»Nach einer Zahlenkombination, die wir in das Codefeld eingeben können«, erklärte Trisha. 
»Ich glaube, wir brauchen erstmal den Schlüssel, um die Truhe hier zu öffnen.« Max versuchte das Vorhängeschloss mit seiner Muskelkraft aufzubrechen, was ihm aber nicht gelang. »Liegt da irgendwo einer?« 
»Du siehst doch, dass wir schon suchen«, gab Trisha zurück. 
»Ich sehe, dass Aurelie planlos herumsteht.« 
»Ich hab kein Netz.« Aurelie hielt ihr Smartphone in Richtung Decke. 
»Du sollst nach Hinweisen suchen. Auf deinem Handy findest du sicher keine!« 
»Ja, ist ja gut.« Genervt steckte sie es wieder weg. 
Trishas Blick wanderte zu dem Balken, der inzwischen auf neunundachtzig Prozent gesunken war. Viel Zeit blieb nicht. 
»Wie wär's, wenn ihr mal in den Farbbehälter guckt und nicht nur darunter?« Max war aufgesprungen und kam zu dem Regal. 
»Bitte, ich überlasse dir gerne den Vortritt.« Trisha machte einen Schritt zurück. Max bestimmende Art ging ihr manchmal ganz schön auf den Leim. 
»Tobias, mach du's!« Max deutete auf ihn. 
»Ich fass ganz sicher nicht in diese schmierige Brühe hinein. Außerdem sind es acht Stück und wir haben keine Ahnung, in welchem der Behälter sich das Ding befindet. Falls überhaupt.« 
»Wie wär's, wir nehmen den Eimer und schütten den Inhalt hinein?«, schaltete sich Clarissa ein. »Dann sehen wir bestimmt, wenn ein Schlüssel herausfällt.« 
»Gute Idee.« Motiviert nahm Trisha den Eimer, ein Behälter aus Metall, entgegen und begann den Inhalt der ersten Farbdose hinein zu füllen. Max und die anderen beobachteten das Geschehen neugierig. Der erste Behälter enthielt eine gelbliche Flüssigkeit. 
»Puh, das Zeug stinkt.« Max hielt sich mit dem Ärmel seines Shirts die Nase zu. »Irgendwas entdeckt?« Aurelie beugte sich vor. 
»Gelber Schleim«, meinte Tobias und griff zum nächsten Farbeimer. »Vielleicht haben wir mit dem mehr Glück.« 
»Vielleicht ist der Schlüssel da gar nicht drin.« Aurelie legte ihre Stirn in Falten. 
»Hast du ne bessere Idee?«, blaffte Max sie an. 
»Jetzt sei doch nicht immer so unfreundlich!«, wies ihn Trisha zurecht. Seit seine Freundin ihn wenige Wochen zuvor verlassen hatte, war seine Laune oft schwer auszuhalten. Sie und Max hatten immer ein gutes freundschaftliches Verhältnis gehabt. Aber seit der Trennung setzte er seine Verführungskünste bei ihr ein und da sie mit Dominik zusammen war, gefiel ihr das gar nicht. Max hielt das allerdings nicht davon ab, es weiter zu versuchen. 
Tobias leerte den zweiten Behälter mit einer blauen Flüssigkeit in den Eimer, woraufhin sich die Mischung grün färbte. Ein Schlüssel war nicht zu entdecken. »Puh, warum stinkt das Zeug nur so? Können sie für das Spiel keine geruchlose Farbe nehmen?« 
»Soll ja authentisch sein.« Max machte eine geheimnisvolle Geste. 
»Hast du in den Schubladen etwas gefunden?« Trisha drehte sich zu Clarissa. 
»Vergilbte Zeitungen, Alben und Umschläge. Ich konnte in keinem davon eine Zahlenfolge oder ähnliches entdecken.« 
Trisha beschloss, die Männer machen zu lassen und sich den Schubladen zu widmen. Vielleicht hatte Clarissa etwas übersehen. Nachdem sie einige Minuten an den drei Schubladen herumgespielt und einen Blick in die Umschläge geworfen hatte, musste sie Clarissa allerdings recht geben, dass diese wohl nicht die Lösung enthielten. Sie warf einen Blick auf das Display. Der Balken zeigte inzwischen nur noch vierundfünfzig Prozent an. Sie mussten sich beeilen. »Habt ihr was?« Trisha stand auf und begutachtete den Eimer, der inzwischen schon gut gefüllt war. 
»Viel übel riechendes Zeug, aber keinen Schlüssel.« Tobias griff zum vorletzten Behälter, doch auch hier war die Ernüchterung groß. Achtlos warf er den Behälter weg, der mit einem lauten Scheppern auf dem Boden landete. 
»Wartet mal!« Trisha kam eine Idee. »Vielleicht ist der Schlüssel auf der Innenseite der Farbdosen befestigt.« Sie wischte sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, darauf bedacht, ihre nussbraunen Haare nicht in den Farbtopf zu halten. Trisha sah hinein, konnte aber nicht viel erkennen. Sie holte ihr Smartphone heraus, um festzustellen, dass sie ebenfalls kein Netz hatte und aktivierte die Taschenlampe. Der Geruch war ekelerregend. Max tat es ihr gleich, während Tobias enttäuscht den letzten Farbbehälter in den Eimer schüttete, der inzwischen randvoll war, aber keinen Schlüssel enthielt. 
»Leute, uns läuft die Zeit davon.« Aurelie deutete auf das Display. Der Balken war inzwischen auf neununddreißig Prozent geschrumpft.  »Habt ihr nicht das Gefühl, die Luft hat sich irgendwie verändert?« 
»Klar hat die sich verändert«, entgegnete Max unwirsch. »Schließlich sind wir fünf Leute in einem kleinen Raum.« 
»Das meine ich nicht, die Luft kommt mir irgendwie dünner vor.« 
»Vielleicht werden wir vergast.« Tobias lachte lauthals über seinen eigenen Witz. 
»Nicht witzig.« Trisha warf ihm einen eisigen Blick zu. Sie musste ihrer Freundin recht geben. Die Luft war anders. Das flaue Gefühl in ihrer Magengegend wurde zu einer düsteren Vorahnung. Ihr Herz klopfte wild. »Clarissa, alles okay?« 
Clarissa, die vorhin noch eifrig die Pritsche inspiziert hatte, saß nun schwer keuchend darauf. »Keine Ahnung, mir ist so schummrig zumute. Aber das kann auch an meinem Asthma liegen.« Sie durchsuchte ihre Handtasche, sah aber kurz darauf wieder auf. »Mist, ich muss den Inhalator vergessen haben.« Aus ihrem Gesicht verschwand jegliche Farbe. 
»Entspannt euch.« Max kam zu ihnen. »Das ist nur ein Spiel!« 
»Und wenn nicht?« Auf Aurelies Stirn zeigten sich Sorgenfalten. »Wir sind in irgend ner gottverlassenen Tunnelanlage unter der Erde.«
»Ich hab bei so was schon mal mitgemacht.« Tobias warf einen Blick in die nächste Farbdose. »Herr, wie auch immer er hieß, sieht doch alles und kann eingreifen, wenn's Probleme gibt.« Er warf einen kurzen Blick zu der Kamera. 
»Ich weiß nicht.« Aurelie schien wenig überzeugt. Trisha hatte allmählich auch ihre Zweifel. Vielleicht war es besser, auszusteigen. Aber dann dachte sie wieder an das Preisgeld und half Max bei der Suche, während Aurelie Clarissa Gesellschaft leistete. Die Anzeige sank auf dreiunddreißig Prozent. 
»Hab ihn«, rief Max stolz und fummelte einen völlig verschmierten Schlüssel aus der Farbdose. »War gut versteckt auf der Innenseite befestigt.« Er riss ihn heraus und ging zu der Truhe. 
Trisha folgte ihm. Ihre Beine fühlten sich wie Pudding an. Ihr Herz hämmerte wild gegen ihre Brust und ihr war schwindlig. Auch Tobias, der normalerweise keine Schwäche zeigte, schien sich unwohl zu fühlen. Max steckte den Schlüssel in die Truhe. Trisha atmete innerlich auf, als sich diese öffnete. Anstatt der Zahlenkombination fand sich allerdings nur ein weiterer Stapel zerknüllter Zeitungen, Umschläge und Papierbögen darin. 
»Okay, lasst uns das Zeug mal durchsuchen, irgendwo steht bestimmt die Kombi drauf.« Max griff sich eine Handvoll brauner Umschläge und drückte sie Trisha in die Hand. »Tobias, nimm du die!«
»Clarissa!«, kreischte Aurelie plötzlich. Trisha wirbelte herum. Clarissa war zur Seite gekippt und lag nun röchelnd auf der Pritsche. »Sie kriegt keine Luft mehr!« Trisha wollte zu ihr rennen, doch etwas stimmte nicht. Der Raum um sie herum begann sich zu drehen und ihr Kopf schien zu explodieren. Was war hier los? Sie warf erneut einen Blick zu dem Display. Der grüne Balken war nun orange und zeigte neunzehn Prozent an. Darüber blinkte das Wort kritisch. 
»Der dreht uns die Luft ab«, schrie Aurelie und Tränen liefen über ihre Wange. 
»Red keinen Unsinn!«, rief Max. »Warum sollte er das tun?« 
Trisha ignorierte ihn. Sie stellte sich vor die Kamera. Geld hin oder her, das war es nicht wert. Auch wenn auf dem Flyer mit ›hautnah‹ geworben wurde, das war ihr eindeutig zu nah. »Clarissa geht es schlecht. Wir möchten aussteigen.« 
»Nein! Die sollen ihr ein Asthmaspray geben und gut ist!« Max kam auf sie zugelaufen und wollte sie von weiteren Rufen abhalten, aber Trisha stieß ihn weg. 
»Hallo, wir möchten aufhören«, rief Trisha laut. Keine Reaktion. Aurelie kam schwankend zu ihr und wiederholte ihren Ausruf. 
»Na, super.« Max war genervt, aber auch er wirkte blass und erschöpft. Nichts geschah. Die Lautsprecherdurchsage blieb stumm. Der Balkon zeigte nur noch elf Prozent an. 
»Was soll das?« Trisha spürte, wie Panik in ihr aufstieg. »Es hieß doch, wir können jederzeit aussteigen.« Trisha warf ihm einen unheildrohenden Blick zu. »Max, Clarissa geht es beschissen!« 
»Was soll ich machen? Der Typ reagiert ja nicht!«
»Das Spiel funktioniert nur als Team, also müssen wir uns einig sein, dass wir aufhören.« Max, der wohl entschieden hatte, dass Clarissas Gesundheit wichtiger war als der Gewinn, stellte sich ebenfalls vor die Kamera. In diesem Moment schien auch er es zu spüren. Er hatte Mühe, die Umschläge, die er soeben noch gesichtet hatte, festzuhalten. Er brüllte die Kamera an. Nachdem wieder keine Reaktion folgte, hämmerte er mit den Fäusten gegen die Holztür, die sich aber keinen Millimeter bewegte. »Max, hör auf«, stammelte Trisha. Sie hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Jeder Atemzug und jedes Wort fielen ihr schwer. »Wir dürfen uns nicht verausgaben, sonst geht es nur noch viel schneller.« 
»Oh mein Gott, die bringen uns um!« Aurelie sank gegen die Wand. 
»Das kann nicht sein!« Max, völlig entkräftet von seiner Aktion, lehnte sich ebenfalls dagegen. »Warum sollten die das tun?« 
Trisha wusste keine Antwort, auch nicht, ob es mehrere Spielleiter gab. Sie fühlte sich unendlich müde. Der Balken war unter zehn Prozent gefallen und änderte seine Farbe in Rot. Trishas Puls raste und sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Clarissa rührte sich nicht mehr. Aurelie war leise geworden, hatte aber die Augen noch halb geöffnet. Ihre Atemzüge waren in Schnappatmung übergegangen. Wieso kam niemand? Dorn musste doch sehen, dass es ihnen schlecht ging. »Wir dürfen nicht einschlafen!«, rief Trisha. »Versucht, wach zu bleiben.« Was immer das hier war, es war kein Spaß. 
»Dieses verdammte Schwein.« Tobias versuchte aufzustehen, es gelang ihm jedoch nicht und er ließ sich wieder gegen das Regal sinken. 
Trisha wusste, wenn sie nichts unternahm, würden sie hier drin sterben. »Max!«, stieß sie hervor. »Wir müssen den Code finden, komm.« Sie erreichte unter größter Anstrengung die Truhe und begann, den obersten Umschlag zu durchforsten. Doch alles, was sie fand, waren Papierbögen mit sinnlosen Zeichen und Symbolen darauf. »Max?« Sie warf einen Blick zur Seite, aber dieser gab nur einen unverständlichen Laut von sich. Trisha hatte schwarze Blitze vor den Augen. Sie wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie das Bewusstsein verlor. Und hier gab es Dutzende von Umschlägen, sie hatte nicht mehr die Zeit, alle zu durchforsten. Offensichtlich hatte sich Max so verausgabt, dass er nichts mehr tun konnte. Tobias schien ebenfalls weggetreten. Trisha spürte, wie die Panik ihren Puls noch weiter beschleunigte. Sie musste versuchen ruhig zu atmen, sonst war sie verloren. Ihr Herz hämmerte immer wilder gegen ihre Brust. Der rote Balken auf dem Display begann zu blinken und sank auf fünf Prozent. Wie viel Zeit blieb ihr? 
Minuten? Oder waren es nur noch Sekunden?

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